Adieu, Anja Es! Das war der Abschied von der Kunst in der Trinkkurhalle

0
3218
Der Sarg ist gefüllt mit Gemälden, der Kranz wird in Kürze niedergelegt: Trauerfeier für die Kunst vor der Timmendorfer Trinkkurhalle. © Susanne Dittmann
Der Sarg ist gefüllt mit Gemälden, der Kranz wird in Kürze niedergelegt: Trauerfeier für die Kunst vor der Timmendorfer Trinkkurhalle. © Susanne Dittmann

Schwar­zer Tag in der Tim­men­dor­fer Trink­kur­hal­le: mit schwar­zen Lecker­bis­sen, Kaf­fee­li­kör und rund 150 schwarz geklei­de­ten Gäs­ten nahm man am 1. Febru­ar 2020 fest­lich und sicher auch unver­gess­lich Abschied von der Kunst. Mit einer Trau­er­fei­er ende­te die fast neun­jäh­ri­ge Ära der Gale­rie Anja Es, in der die Urlau­ber oft im Vor­bei­ge­hen außer­ge­wöhn­li­che Wer­ke pro­mi­nen­ter und pro­gres­si­ver Künst­ler ent­deck­ten, wobei die ori­gi­nel­len Borow­ski-Glas­fi­gu­ren die denk­mal­ge­schütz­te Trink­kur­hal­le in ein deko­ra­ti­ves, sanf­te Licht tauch­ten und sie in der Däm­me­rung zum kunst­vol­len High­light an der Kur­pro­me­na­de mach­ten. Ab März wird die Trink­kur­hal­le als Tou­ris­mus-Info genutzt. Spä­ter soll dort eine Gas­tro­no­mie einziehen.

Die anwe­sen­den Gäs­te waren sicht­lich „not amu­sed“, dass die Kunst hier dem Kom­merz wei­chen soll. Zumal die Gale­rie Anja Es in der Trink­kur­hal­le im Lau­fe der Jah­re zum Begriff für das Beson­de­re, Krea­ti­ve und vor allem für das Ori­gi­nel­le gewor­den ist. Seit die Künst­le­rin im Früh­ling 2011 ihre Gale­rie eröff­ne­te hat sich ihr „glä­ser­nes Kunst-Ufo“ an der Kur­pro­me­na­de zu einer Attrak­ti­on für zahl­rei­che Kunst­freun­de in und um Schles­wig-Hol­stein ent­wi­ckelt. Trotz­dem hat­te sie in Tim­men­dor­fer Strand so ihre Schwie­rig­kei­ten. „Zuge­ge­ben: Eine Art Außer­ir­di­sche war ich schon, als ich 2011 hier gelan­det bin, denn ich kann­te hier nie­man­den, kam nicht von hier und bin als Künst­le­rin ohne­hin suspekt. Aber: Mein zwei­fel­haf­ter Ruf war von Tra­ve­mün­de immer­hin bis in die­se Nobel-Desti­na­ti­on vor­ge­drun­gen, und der Gemein­de­rat beschloss ein­stim­mig, mir eines der schöns­ten Gebäu­de im Ort anzu­ver­trau­en“, erzähl­te Anja Es in ihrer Rede an die Kunst-Gemein­de; „wahr­schein­lich, weil ich die Ein­zi­ge war, die unter den erschwer­ten Umstän­den hier eine ange­mes­se­ne Bespie­lung leis­ten woll­te, denn schon damals war klar: Eine gas­tro­no­mi­sche Nut­zung wird auf­grund des Denk­mal­schut­zes nie­mals mög­lich sein.“

Den­noch haben ört­li­che Gas­tro­no­men die Hoff­nung wohl nicht auf­ge­ge­ben. Wenn dort auch zunächst noch Sou­ve­nirs ver­kauft wer­den sol­len, hofft man doch auf eine Mög­lich­keit, an die­ser begehr­ten Stel­le in unmit­tel­ba­rer Strand­nä­he zahl­rei­che Gäs­te zu gewin­nen. Da muss die Kunst wei­chen, sehr zum Bedau­ern zahl­rei­cher Kunst­freun­de. „Ein Trau­er­fall“, resü­mier­te man ein­mü­tig; also hat Anja Es eine Trau­er­fei­er insze­niert, von der man noch lan­ge reden wird. Nach einem Kon­zert mit Pia­nis­tin Gabrie­le Pott aus Lübeck und eini­gen spe­zi­ell umge­tex­te­ten, wun­der­bar iro­ni­schen Songs zum Mit­sin­gen pack­te die Künst­le­rin eine Aus­wahl ihrer Bil­der in den Sarg, der dann nach drau­ßen getra­gen und in einen Trans­por­ter gescho­ben wur­de, fei­er­lich umrahmt von fla­ckern­den Fackeln und den zahl­rei­chen Trauergästen.

Wie wird es nun wei­ter­ge­hen? „Die Kunst ist unsterb­lich“, ver­spricht Anja Es; „da ist es nur eine Fra­ge der Zeit, bis sie wie­der aus der Kis­te springt…
Daher habe ich in wei­ser Vor­aus­sicht für sie ein neu­es Zuhau­se geschaf­fen. Nicht ganz so groß, nicht ganz so schi­cki aber dafür sehr edel, unglaub­lich schön und sehr gemüt­lich. Im ältes­ten Haus Tra­ve­mün­des, direkt in der Vor­der­rei­he, näm­lich in der Alten Vog­tei aus dem Jah­re 1551, könn­te sie direkt ein­zie­hen. Sie wäre dort sehr will­kom­men, denn wie es scheint, freut sich ganz Tra­ve­mün­de, sie wie­der zu Gast zu haben.
Heu­te, am 1. Tag des Febru­ars tra­gen wir die Kunst zu Gra­be, aber viel­leicht soll­ten wir uns am letz­ten Tag des Febru­ars, am 29. um 14.00 Uhr, in der Vor­der­rei­he, Ecke Rose tref­fen, um ihre Wie­der­auf­er­ste­hung zu fei­ern. Dann aber bit­te nicht in Schwarz, son­dern in Knall­bunt! Ich ver­spre­che, es wird laut, lus­tig und natür­lich KUNSTvoll.“