Timmendorfs Bürgermeister Robert Wagner verspricht: „Ich nehme die Amtsgeschäfte wieder auf“

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Robert Wagner ist seit zwei Jahren Bürgermeister in Timmendorfer Strand und steht wegen seiner Amtsführung in der Kritik seiner Mitarbeiter im Rathaus. Jetzt hat er in einem offenen Brief dazu Stellung bezogen.
Robert Wagner ist seit zwei Jahren Bürgermeister in Timmendorfer Strand und steht wegen seiner Amtsführung in der Kritik seiner Mitarbeiter im Rathaus. Jetzt hat er in einem offenen Brief dazu Stellung bezogen.

Das Amt des Bür­ger­meis­ters ist sicher kein leich­tes; beson­ders anspruchs­voll ist es seit jeher in Tim­men­dor­fer Strand. Hier gilt es nicht nur, die oft gegen­sätz­li­chen Inter­es­sen der Bür­ger, Tou­ris­ten und Geschäfts­leu­te auf einen Nen­ner zu brin­gen, son­dern auch, mit den sehr spe­zi­el­len Struk­tu­ren im Rat­haus klar zu kom­men. Nach dem Tod des ehe­ma­li­gen Bür­ger­meis­ters Vol­ker Popp, der im Alter von 62 Jah­ren ver­starb, und der Amts­zeit sei­ner Nach­fol­ge­rin Hati­ce Kara, die schwer erkrankt war und lan­ge Zeit ver­tre­ten wur­de, sind wohl eini­ge Mit­ar­bei­ter „zu heim­li­chen Bür­ger­meis­te­rin­nen und Bür­ger­meis­tern mutiert“, wie Robert Wag­ner ver­mu­tet. In einem 8-sei­ti­gen offe­nen Brief, den wir hier unge­kürzt wei­ter geben, hat der vor zwei Jah­ren gewähl­te und damit offi­zi­el­le Bür­ger­meis­ter sei­nen Stand­punkt dar­ge­legt und ver­spro­chen, dass er trotz aller Anfein­dun­gen die Amts­ge­schäf­te wie­der auf­neh­men wird.

Lie­be Bür­ge­rin­nen und Bürger,

nach einem inten­si­ven Wahl­kampf wur­de ich mit fast 60 % der Stim­men in das Bür­ger­meis­ter­amt gewählt. Damals hieß es für mich, in Aachen alle Zel­te abzu­bre­chen und in der Gemein­de Tim­men­dor­fer Strand mei­nen neu­en Arbeits- und Lebens­ort ein­zu­rich­ten. Nach dem Wahl­kampf mit Stich­wahl war das eine arbeits­rei­che und kräf­te­zeh­ren­de Zeit. Der Umzug aus Aachen, die Ver­ab­schie­dung vom alten Beruf, dem Freun­des­kreis und der Fami­lie stan­den an. Der 01.07.2018, ein Sonn­tag, war dann mein ers­ter Tag als Bür­ger­meis­ter. Ich habe an die­sem Sonn­tag alle Gemein­de­ver­tre­te­rin­nen und -ver­tre­ter in das Hotel Atlan­tic zum Früh­stück­büf­fet ein­ge­la­den. Dies soll­te der Beginn des WIR-Gefühls sein. Am 02.07.2018 war mein ers­ter Arbeits­tag im Rat­haus. Mein gro­ßer Berufs­wunsch ist an die­sem Tag in Erfül­lung gegan­gen. Sehr befremd­lich für mich war es jedoch, dass es weder im Vor­feld noch bei Amts­an­tritt eine Über­ga­be der Amts­ge­schäf­te durch mei­ne Vor­gän­ge­rin gege­ben hat. Weder Haupt­aus­schuss­mit­glie­der noch ande­re poli­ti­sche Funk­ti­ons­trä­ger hat­ten dar­auf hin­ge­wirkt oder etwas ver­an­lasst. Die stell­ver­tre­ten­de Bür­ger­meis­te­rin hat mich dann in die The­men, die sie kann­te, ein­ge­ar­bei­tet, über Arbeits­pro­zes­se infor­miert und wir haben uns gemein­sam durchgeschlagen.

Über­nah­me der Amtsgeschäfte
Der Amts­an­tritt gestal­te­te sich dop­pelt schwie­rig. Zum einen waren die Lei­tung des Bau­am­tes und die Lei­tung des Fach­diens­tes Immo­bi­li­en unbe­setzt. Zum ande­ren war die Lei­tungs­po­si­ti­on im Ord­nungs­amt vakant. Das war Anfang Juli 2018 beson­ders hart, da sämt­li­che Ver­an­stal­tun­gen und Gro­ße­vents geneh­migt wer­den muss­ten und die tou­ris­ti­sche Sai­son gera­de das Ord­nungs­amt extrem forderte.
Die gro­ßen The­men wie Fes­te Feh­marn­belt­que­rung, Bäder­bahn­tras­se und Bahn­hofs­er­halt, das ETC (Eis­sport- und Ten­nis­zen­trum) und die Fort­set­zung des Orts­ent­wick­lungs­pro­zes­ses habe ich „geerbt“. Mit all den Fra­ge­zei­chen, dem gro­ßen Hand­lungs­be­darf und dem zeit­li­chen Druck wur­den die­se The­men mit­un­ter zur Chefsache!

Das The­ma Fes­te Feh­marn­belt­que­rung, Bäder­bahn­tras­se und Bahn­hofs­er­halt erfor­der­te mei­ne beson­de­re Auf­merk­sam­keit, nicht nur, weil die wich­ti­ge Ver­kehrs­ader „Bäder­bahn­tras­se“ dabei eine Rol­le spiel­te, son­dern auch, weil die ers­ten Arbeits- und Sit­zungs­ter­mi­ne außer­halb des Rat­hau­ses dazu anstanden.

Eine Anmer­kung noch zum Rat­haus Strand­al­lee 42: Das Rat­haus ist eine Kom­pro­miss­im­mo­bi­lie mit über 20 Eigen­tums­woh­nun­gen, eigent­lich nichts Schlim­mes. Jedoch war ich ver­wun­dert, dass Reno­vie­rungs­maß­nah­men wie z. B. Flur­be­rei­che, Türz­ar­gen oder der Aus­tausch ver­schlis­se­ner Boden­be­lä­ge nicht bzw. nicht zeit­ge­mäß durch­ge­führt wur­den. Gera­de der unte­re Flur­be­reich mit Ein­woh­ner­mel­de­amt, Ord­nungs­amt, Stan­des­amt, dem Bereich Migra­ti­on und der Gemein­de­kas­se, also ein Bereich mit viel Publi­kums­ver­kehr, befand sich in kei­nem guten Zustand.
Das Bür­ger­meis­ter­ar­beits­zim­mer samt Bespre­chungs­be­reich waren eben­falls kein Aus­hän­ge­schild mehr. Wei­te­re Arbeits- und Rah­men­be­din­gun­gen waren nicht optimal.
Zurück zu den ers­ten Tagen nach Amts­an­tritt. Eine hohe Zahl von Glück­wün­schen zu mei­ner Wahl erreich­te mich. Eben­so gab es eine sehr hohe Anfra­ge zu Gesprächs­ter­mi­nen aus der Beleg­schaft, der Bevöl­ke­rung sowie von Inves­to­ren und Pro­jekt­ent­wick­lern. Jeder woll­te den neu­en Bür­ger­meis­ter spre­chen und ken­nen­ler­nen, oft­mals in der Unge­duld und Schnel­lig­keit die­ser Zeit.

Erkennt­nis­se
Vie­le Inves­to­ren und Pro­jekt­ent­wick­ler kamen mit alten Ideen und erhoff­ten sich nun ein Wei­ter­kom­men in Poli­tik und Ver­wal­tung. Wie so oft in Tim­men­dor­fer Strand sind Auf­trag­neh­mer, Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter oder Inves­to­ren und ande­re Ideen­ge­ber mit Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­kern zur Schu­le gegan­gen, Nach­barn oder befreun­det. Es zeig­te sich schnell, dass auch ger­ne zügig die poli­ti­schen Freun­de ein­ge­schal­tet wur­den, wenn man sel­ber nicht mehr mit Bür­ger­meis­ter und Ver­wal­tung wei­ter­kam oder sich zu hel­fen wuss­te. Ich stell­te eben­falls fest, dass sich eini­ge aus der Poli­tik direkt an die Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­te­rin­nen oder -mit­ar­bei­ter wand­ten, wenn sie Fra­gen zum Ver­wal­tungs­han­deln oder zu Arbeits- und Bear­bei­tungs­ab­läu­fen hat­ten. Dabei wur­de sehr ger­ne das Bür­ger­meis­ter­bü­ro übergangen.
Sehr schnell merk­te ich, dass ver­schie­de­ne Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ihr vor­han­de­nes Hin­ter­grund- und His­to­ri­en­wis­sen nicht ger­ne preis­ga­ben und nach eige­nen Vor­stel­lun­gen Din­ge und Arbeits­auf­trä­ge abar­bei­ten und erle­di­gen woll­ten. Ich merk­te auch, dass vie­le nicht in der Lage waren zu prio­ri­sie­ren, sich selbst zu orga­ni­sie­ren oder in Eigen­re­gie die Arbeits­vor­gän­ge voll umfäng­lich zu erledigen.
Oft­mals muss­te ich als Bür­ger­meis­ter zwi­schen den Fach­be­rei­chen und Fach­diens­ten ver­mit­teln und die Arbeits­ab­läu­fe eng beglei­ten. Rela­tiv schnell habe ich auch den Ein­druck gewon­nen, dass neue Arbeits­wei­sen und -for­men nicht als Chan­ce des Dazu­ler­nens begrif­fen wer­den, son­dern Angst und Ableh­nung aus­lö­sen. Das erklär­te die gro­ße Anzahl von offe­nen poli­ti­schen Beschlüs­sen und Arbeits­auf­trä­gen, die ich bei Amts­über­nah­me vorfand.
Zu den bereits vor­han­de­nen offe­nen poli­ti­schen Beschlüs­sen und der gro­ßen Arbeits­last kamen noch die vie­len Arbeits­auf­trä­ge und Wün­sche der Par­tei­en und Wäh­ler­ge­mein­schaf­ten hin­zu, die mich im Wahl­kampf unter­stützt und als Bür­ger­meis­ter gewollt haben. Ein gro­ßer Ruck­sack vol­ler Arbeits­auf­trä­ge und Aufgabenstellungen!

Vorgehensweise/Erkenntnisse
Die vor­ge­fun­de­ne Gesamt­si­tua­ti­on ver­an­lass­te mich zu der Maß­nah­me, mir ein Jahr lang die kom­plet­te Haus­ein­gangs­post vor­le­gen zu las­sen, um mög­lichst schnell und umfas­send in die aktu­el­len The­men hin­ein­wach­sen und die Arbeits­wei­sen und Leis­tungs­fä­hig­keit der ein­zel­nen Beschäf­tig­ten erken­nen und mes­sen zu können.
Durch Wie­der­vor­la­gen, Bear­bei­tungs­zeit­schie­nen, gemein­sa­me Bespre­chun­gen und per­sön­li­che Rück­spra­chen wur­den Sach­ver­hal­te und Zusam­men­hän­ge mir kla­rer und die Bear­bei­tung beschleunigt.
Die gewon­ne­nen Ein­bli­cke und die enge Zusam­men­ar­beit mach­te mir fol­gen­des deut­lich: Die Gemein­de­ver­wal­tung ist in den letz­ten Jah­ren nicht mit der rasan­ten Ent­wick­lung des Tou­ris­mus mit­ge­wach­sen und der Weg zu einer moder­nen digi­ta­len und leis­tungs­star­ken Ver­wal­tung wird steinig.
Sicher­lich ist mei­ne gute Denk- und Merk­fä­hig­keit, mei­ne Eigen­schaft, Zusam­men­hän­ge zu erken­nen, für die Aus­übung des Bür­ger­meis­ter­am­tes dabei von Vor­teil. Ein Nach­teil ist sicher­lich, dass der Öffent­li­che Dienst in unse­rem Ort nicht wirk­lich ent­wick­lungs- und ver­än­de­rungs­freund­lich ist. Mit Fleiß, vie­len Arbeits­stun­den und -ein­sät­zen konn­te ich mich ein­ar­bei­ten und mitreden.
Direkt zu Beginn mei­ner Amts­zeit habe ich mich von exter­nen Auf­trag­neh­mern getrennt. Die Arbeits­wei­se und Zusam­men­ar­beit ent­sprach nicht mei­nen Vor­stel­lun­gen, denn ich bin unab­hän­gig und par­tei­los und will authen­tisch arbei­ten. Jedoch setz­ten vie­le der ehe­ma­li­gen Auf­trag­neh­mer und der Beschäf­tig­ten alle poli­ti­schen Hebel in Bewe­gung und der poli­ti­sche Wider­stand in den Aus­schüs­sen und der Gemein­de­ver­tre­tung mir gegen­über wur­de spürbarer.
Das mensch­li­che Mit­ein­an­der und die Art der Dis­kus­sio­nen haben sich der­art ver­än­dert, dass es ein Kraft­akt gewor­den ist, sich treu zu blei­ben, sei­ne Idea­le zu leben und der eige­nen Lebens­phi­lo­so­phie zu folgen.
Ein Bür­ger­meis­ter, der u. a. auch gewählt wur­de, weil er nicht ver­wandt, ver­schwä­gert oder im Ort ver­wur­zelt ist, soll­te auch ent­spre­chend ent­schei­den dür­fen. Näm­lich „sach- und the­men­ori­en­tiert“ und dem Gemein­wohl die­nend. Das ist mein Ver­ständ­nis von unab­hän­gi­ger Amts­füh­rung und par­tei­lo­sem Bür­ger­meis­ter. Mei­ne Wesens­art und mein Natu­rell waren allen durch mei­ne Wahl­kampf­auf­trit­te und die per­sön­li­chen Begeg­nun­gen bekannt.
In den Jah­ren vor mir als Bür­ger­meis­ter haben sich eini­ge Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter Kom­fort­zo­nen geschaf­fen und ande­re sind zu heim­li­chen Bür­ger­meis­te­rin­nen und Bür­ger­meis­tern mutiert. Um das zu erken­nen, benö­tig­te ich eini­ge Zeit. Denn lieb, nett und freund­lich waren alle zu mir. Aber auch im Öffent­li­chen Dienst gibt es eine kla­re Rol­len­ver­tei­lung, eine Behör­den­hier­ar­chie und eine Akzep­tanz- und Aner­ken­nungs­kul­tur. Doch davon war die Gemein­de­ver­wal­tung Tim­men­dor­fer Strand weit ent­fernt. Somit hat­te ich ein wei­te­res The­men- und Auf­ga­ben­feld iden­ti­fi­ziert: „Orga­ni­sa­ti­on und Struk­tur“ sowie die „Bil­dung von Teams“ und die „Schaf­fung von ver­läss­li­chen und funk­tio­nie­ren­den Arbeitsebenen“.
Kom­men wir nun zu vor­ge­nom­me­nen Neu­ein­stel­lun­gen und zur Per­so­nal­struk­tur. Die Gemein­de­ver­wal­tung wirbt mit attrak­ti­ven Arbeits­plät­zen und inter­es­san­ten Auf­ga­ben und Tätig­kei­ten. Doch die oben dar­ge­leg­ten Bedin­gun­gen und Struk­tur­pro­ble­me führ­ten dazu, dass neue Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, auch Füh­rungs­kräf­te nicht will­kom­men gehei­ßen werden.
Sie, teil­wei­se auch Füh­rungs­kräf­te erfah­ren dann oft­mals kei­ne Will­kom­mens­kul­tur inner­halb und außer­halb ihres Fachbereiches/Fachdienstes.
Neue Ideen, Arbeits­wei­sen, ande­re Lebens- und Welt­an­schau­un­gen wer­den oft­mals über­wie­gend abge­lehnt oder nur zöger­lich zuge­las­sen. Statt­des­sen wird über die „stil­le Post“ und den „Flur­funk“ den Neu­en das Ankom­men erschwert. Vor­han­de­nes Wis­sen wird als Macht­in­stru­ment „Wis­sen ist Macht“ ver­wen­det und die Neu­en wur­den fach­lich häu­fig nicht gut ein­ge­ar­bei­tet und somit nicht in die Lage ver­setzt, sich zu eta­blie­ren. Hin­zu kom­men die enorm hohe Arbeits­be­las­tung und das Arbeitsaufkommen.
Die­se Kul­tur der Ableh­nung und des Umgangs habe ich am eige­nen Leib erfah­ren durch haus­in­ter­ne per­sön­li­che Angrif­fe, Anfein­dun­gen und Unter­stel­lun­gen, für den Bür­ger fast unvor­stell­bar und für mich oft­mals erschre­ckend. Ich brauch­te dann viel Biss und Durch­hal­te­ver­mö­gen, um mich zu behaup­ten. Es ist mehr als ver­ständ­lich, dass neue Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, die die­se Arbeits­si­tua­ti­on vor­fin­den nach kur­zer Zeit sagen „Das tu ich mir nicht an, denn ich weiß, was ich kann“ und sich dann wie­der weg bewerben.
Ich will nicht uner­wähnt las­sen, dass es auch Tei­le der Beleg­schaft gibt, die mit gro­ßer Mühe neue Beschäf­tig­te ein­ar­bei­ten, weil sie wol­len, dass die Neu­aus­rich­tung der Ver­wal­tung funktioniert.
Die Zahl der Per­so­nal­ver­än­de­run­gen habe ich in ver­schie­de­nen Aus­schuss­sit­zun­gen erklärt. Nicht jeder Weg­gang ist eine, dem Bür­ger­meis­ter geschul­de­te Arbeit­neh­mer­kün­di­gung. Durch­aus sind auch Arbeit­ge­ber­kün­di­gun­gen dabei. Ich bin der Mei­nung, dass man als Amts­chef auch das Recht hat, sei­ne Mann­schaft auf­zu­stel­len. Und wenn Arbeits­wei­sen und -ein­stel­lun­gen nicht zuein­an­der pas­sen, darf man sich auch von­ein­an­der tren­nen. In der frei­en Wirt­schaft ein nor­ma­les Vor­ge­hen, im Öffent­li­chen Dienst immer noch schwierig.
Natür­lich sind die klei­nen Ver­wal­tun­gen mit ihren Gene­ra­lis­ten und Spe­zia­lis­ten nicht in der Lage, jeden Weg­gang sofort zu kom­pen­sie­ren. Sol­che Pro­zes­se brau­chen Zeit, Mut und Ver­trau­en. Lei­der hat ein Groß­teil der Poli­tik sich im Spät­som­mer 2019 in mei­nen Füh­rungs- und Umge­stal­tungs­pro­zess ein­ge­mischt und so hat die Gemein­de­ver­wal­tung wert­vol­le Neu­aus­rich­tungs­zeit ver­lo­ren. Die Hin­ter­grün­de mei­ner Ent­schei­dun­gen und Hand­lungs­wei­sen habe ich in vie­len Gesprä­chen der Poli­tik dar­ge­legt. Eini­ge Par­tei­en und Wäh­ler­ge­mein­schaf­ten, die bei poli­ti­schen The­men oft­mals sehr unein­heit­lich ent­schei­den, schei­nen sich jedoch in der Dis­kus­si­on um mei­ne Per­son einig zu sein. Bei mir kommt schon seit län­ge­rer Zeit der Ver­dacht auf, dass eini­ge Funk­ti­ons­trä­ger eher eine Mario­net­te für das Bür­ger­meis­ter­amt gesucht haben anstel­le eines krea­ti­ven Selbst­den­kers, der dazu noch gut im Kreis, Land und Bund netz­werkt und der Gemein­de Tim­men­dor­fer Strand ein neu­es Gesicht gibt.

Nach­den­ken
Die Dis­kus­si­on um mei­ne Amts­füh­rung und Per­son scha­det mei­ner Mei­nung nach in vie­ler­lei Hin­sicht und spal­tet die Gemeinde.
Ist Tim­men­dor­fer Strand noch ein attrak­ti­ver Arbeit­ge­ber, wenn es so viel Nega­tiv­pres­se gibt?
Wer bewirbt sich bei einer Ver­wal­tung, wo das kom­mu­nal­po­li­ti­sche Kli­ma so spe­zi­ell ist und in eine Gemein­de, in der gro­ße Fami­li­en, Inves­to­ren und Mil­lio­nä­re das Sagen haben wollen?
Hin­zu kom­men die Fül­le an Auf­ga­ben und die hohe Arbeits­be­las­tung sowie die Unge­duld vie­ler Akteu­re. Ich übe mein Amt mit Taten­drang, Lei­den­schaft und Mensch­lich­keit aus, doch gera­de das scheint mei­nen Kri­ti­kern nicht zu gefallen.
In mei­ner bis­he­ri­gen Lauf­bahn war es guter Stil, die Arbeits­leis­tung gewähl­ter Per­so­nen ein Jahr vor ihrer anste­hen­den Wie­der­wahl zu bewer­ten. Bei mir wur­de von Anfang an die Arbeits­leis­tung bewer­tet und es wird fort­wäh­rend ver­sucht, poli­tisch voll­um­fäng­lich Ein­fluss auf mei­ne Amts­füh­rung zu neh­men. Ich wur­de von den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern gewählt. Mehr­heit­lich möch­ten die­se eine neu­tra­le Amts­füh­rung, die sach- und the­men­ori­en­tiert arbei­tet. Dies habe ich getan und wer­de es auch wei­ter­hin tun!

Abwahl­ge­dan­ken
Nach dem geschei­ter­ten Antrag auf Abwahl mei­ner Per­son in der Gemein­de­ver­tre­ter­sit­zung läuft der­zeit eine Unter­schrif­ten­samm­lung bzgl. der Ein­lei­tung eines Abwahl­ver­fah­rens. Ich hat­te mir eigent­lich aus der Coro­na­kri­se erhofft, dass sich jeder Mensch wie­der etwas mehr in Acht­sam­keit, Demut und Mensch­lich­keit übt. Lei­der haben wir Men­schen nicht viel dar­aus gelernt. Dabei ist ein gutes und fai­res Mit­ein­an­der ein­fa­cher als ewi­ges Gegen­ein­an­der. Bedau­er­li­cher­wei­se hat sich in den letz­ten zehn Jah­ren unter drei Bür­ger­meis­te­rin­nen und Bür­ger­meis­tern kein gutes Mit­ein­an­der mehr zwi­schen Poli­tik und Bür­ger­meis­ter­amt gezeigt. Selt­sa­mer­wei­se sucht die Poli­tik immer und für alles die Schuld beim Bürgermeister/der Bürgermeisterin.
Die Gemein­de Tim­men­dor­fer Strand ist ein schö­ner Arbeits- und Lebens­ort und die vie­len Auf­ga­ben sowie Pflich­ten und gesell­schaft­li­che Ver­pflich­tun­gen machen mir viel Freu­de. Und ja, selbst nach zwei Jah­ren im Amt und vie­len gewon­ne­nen Ein­drü­cken und Erkennt­nis­sen berei­tet mir mein Beruf noch viel Freu­de. Viel­leicht ruft gera­de das eini­ge Kri­ti­ker her­vor. Men­schen wie ich, die Freu­de an ihrer Arbeit haben, schau­en nicht auf die Uhr und arbei­ten mit viel Lei­den­schaft. Als Ver­wal­tungs­chef einer klei­nen Gemein­de bin ich als „Feu­er­wehr“ immer dort im Ein­satz, wo ver­wal­tungs­sei­tig jemand fehlt oder Ver­stär­kung gebraucht wird. Schon lan­ge ist die Zeit vor­bei, als Bür­ger­meis­ter nur repräsentierten.
Ich habe in vie­len Gesprä­chen, in infor­mel­len Run­den und in Sit­zun­gen der Aus­schüs­se und der Gemein­de­ver­tre­tung, zur Sach­la­ge inner­halb der Ver­wal­tung aus­ge­führt. Im nicht­öf­fent­li­chen Teil der Haupt­aus­schuss­sit­zun­gen und der Gemein­de­ver­tre­ter­sit­zun­gen habe ich Hin­ter­grün­de und Zusam­men­hän­ge mei­nes Han­delns erklärt sowie die Per­so­nal­fluk­tua­ti­on bzw. wie Per­so­nal­we­sen im Zusam­men­spiel mit Arbeits- und Tarif­recht funktioniert.

Klar­text
Fakt ist: Vie­len in der Ver­wal­tung habe ich auf die Fin­ger geschaut, mit­tel­mä­ßi­ge Arbeits­er­geb­nis­se the­ma­ti­siert und ich bin nicht müde gewor­den, auf die ter­min-, frist­ge­rech­te und bür­ger­freund­li­che Erle­di­gung der Auf­ga­ben hin­zu­wir­ken. Dass man sich als Chef damit nicht beson­ders beliebt macht, liegt in der Natur der Sache. Da ich aber mei­ne Wie­der­wahl und eine zwei­te Amts­zeit anstre­be und von mei­nen Moder­ni­sie­rungs- und Reform­schrit­ten im Per­so­nal­we­sen und der drin­gen­den Ände­rung der Arbeits­wei­sen über­zeugt bin, las­se ich mich weder durch per­sön­li­che Angriffe/Anfeindungen und Unter­stel­lun­gen ein­schüch­tern noch zum Auf­ge­ben bewegen.
Die Ver­wal­tung wur­de auf mei­ne Initia­ti­ve hin über ein Jahr lang durch eine exter­ne Per­so­nal­trai­ne­rin beglei­tet und auch dort wer­den im Ergeb­nis­be­richt die schwie­ri­ge Situa­ti­on bei Amts­über­nah­me, das Arbeits­tem­po, die unter­schied­li­chen Arbeits- und Her­an­ge­hens­wei­sen, die Will­kom­mens­kul­tur sowie der „Stil­le-Post-Effekt“ für den heu­ti­gen schwie­ri­gen Ist-Zustand ver­ant­wort­lich gemacht.
Nach­dem die Ein­lei­tung des Abwahl­ver­fah­rens in der Gemein­de­ver­tre­tung geschei­tert ist, haben sich nun unzu­frie­de­ne Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zusam­men­ge­fun­den und sam­meln „demo­kra­tisch legi­ti­miert“ Unter­schrif­ten für mei­ne Abwahl. Dass nicht alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger mit mir zufrie­den sein kön­nen, ist nor­mal. Die einen ver­fol­gen viel­leicht Ein­zel­in­ter­es­sen, ande­re sind grund­sätz­lich nega­tiv ein­ge­stellt oder nei­den mir die Lei­den­schaft, mein Durch­hal­te­ver­mö­gen und mei­ne rhe­to­ri­schen Fähig­kei­ten. Als Bür­ger­meis­ter die­ne ich den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern, der Poli­tik (Selbst­ver­wal­tung), bin der Ver­wal­tungs­chef, soll ein guter Netz­wer­ker in Poli­tik und Gesell­schaft auf Orts-, Kreis-, Lan­des- und Bun­des­ebe­ne sein. Immer beglei­tet von der Pres­se- und Medi­en­land­schaft und beob­ach­tet von den Wag­ner-Kri­ti­kern, die es von Anfang an gab.

Wei­te­re Zusammenarbeit/Neuausrichtung
Mei­ne Hoff­nung war und ist es, dass Poli­tik und Verwaltung/Bürgermeister sach- und the­men­ori­en­tiert wei­ter zusam­men­ar­bei­ten und gemein­sam mit pro­fes­sio­nel­ler Unter­stüt­zung ler­nen, die Rolle/Sichtweise des ande­ren bes­ser zu ver­ste­hen. Außer­dem soll­te es dar­um gehen, die Bedürf­nis­se, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wei­sen und Ver­hal­tens­mus­ter unter­ein­an­der bes­ser ein­ord­nen und ver­ste­hen zu kön­nen. Für mich ist immer noch eine Zusam­men­ar­beit mit der Poli­tik mög­lich und ich bin über­zeugt davon, dass unter Hin­zu­zie­hung von ent­spre­chen­den Experten/Agenturen die kom­men­den Jah­re der Zusam­men­ar­beit ent­spann­ter ver­lau­fen wer­den als die letz­ten Monate.

Selbstkritik/Positionierung
Nicht immer war mein Ver­hal­ten rich­tig. Kein Mensch ist feh­ler­frei. Und wenn man wie ich über Mona­te hin­weg mit Argu­men­ta­tio­nen und Sach­lich­keit kein Gehör fin­det und statt­des­sen immer mehr durch Medi­en-/Pres­se­ar­beit und Mund-zu-Mund- Pro­pa­gan­da schlecht gemacht wird, ist es nicht ver­wun­der­lich, wenn der Getrie­be­ne sich dann auch rhe­to­risch wehrt. Vor allem bei per­sön­li­chen Angriffen/Gerüchten und Unter­stel­lun­gen, die schon ehr­ab­schnei­dend und per­sön­lich ver­let­zend sind.
Ich hat­te mir durch die Coro­na­kri­se mehr Besin­nung gewünscht und nach dem Tod mei­ner Mut­ter Ende März 2020 erhofft, dass es etwas ruhi­ger um mich her­um wird. Jetzt ist auch noch mein Vater nach kur­zer schwe­rer Krank­heit ver­stor­ben. Jedoch in Tim­men­dor­fer Strand geht die Jagd auf den Bür­ger­meis­ter wei­ter. Kei­ne Ruhe, kei­ne Schon­frist, bloß kei­ne Mensch­lich­keit zei­gen und wal­ten lassen.
Die­je­ni­gen, die auf Lis­ten und For­mu­la­ren mei­ne Abwahl bean­tra­gen, sol­len sich bit­te Arbeits-/Be­rufs­welt und poli­ti­sche Ämter im Jah­re 2020 ein­mal vor Augen füh­ren. Ich habe eine 60-80 Stun­den­wo­che mit einer unbe­schreib­li­chen Ter­min­dich­te und soll auch in der pri­va­ten Zeit immer ansprech­bar sein, sei es im Super­markt, bei der Tank­stel­le oder beim Hundespaziergang.
Die Anzahl der gut­ge­mein­ten Rat­schlä­ge von ver­meint­li­chen Freun­den und Bekann­ten und die Zahl der selbst­er­nann­ten Chefs des Bür­ger­meis­ters, Kon­trol­leu­re und Befehls­ge­ber lässt sich von mir nur sehr schwer bezif­fern. Bei vie­len Akteu­ren hat sich der bestehen­de Infor­ma­ti­ons- und Unter­rich­tungs­an­spruch zum Kon­troll­zwang entwickelt.
Was mir als Bür­ger­meis­ter pri­vat Freu­de berei­tet, wird schlecht gere­det oder mit Lügen belegt. Dabei den­ke ich an all die unglaub­li­chen Geschich­ten rund um mei­nen Hund oder um Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, mit denen ich mich gut verstehe.

Fra­gen
Wie kommt es, dass Men­schen und Funk­ti­ons­trä­ger, die damals mei­ne Vor­gän­ge­rin unter­stützt und hofiert haben, bei anste­hen­der Wie­der­wahl die­se bekämpf­ten und mit allen Mit­teln ver­hin­dern wollten?
Wie kommt es, dass vie­le von die­sen Prot­ago­nis­ten und Strip­pen­zie­hern nun gegen mich sind und mich bereits wäh­rend der Amts­zeit schon los­wer­den wollen?
Dar­über hin­aus fin­de ich es mensch­lich schwie­rig, wenn es Leu­te sind, die mir das „Du“ ange­bo­ten und sich freund­schaft­lich ver­hal­ten haben, sich nun jedoch öffent­lich und um jeden Preis von mir abwenden.
Ich fra­ge mich: War­um ver­hal­ten sich die Men­schen so? Ist es Wan­kel­mut? Ist es der Spaß am Spiel mit den Men­schen? Sind es eige­ne Inter­es­sen oder lässt man sich von ande­ren Wag­ner­geg­nern vor den Kar­ren spannen?
Viel­leicht soll­te man auch bei den Unter­stüt­zern der Unter­schrif­ten­samm­lung genau hin­schau­en, wer für wel­che Par­tei bzw. Wäh­ler­ge­mein­schaft klap­pert oder wer auf einem Poten­ti­al­grund­stück hockt, gera­de die mora­li­sche Keu­le schwingt und sich viel­leicht in ein paar Jah­ren nicht mehr an aktu­el­le Aussagen/Argumente erin­nert und es das Grund­stück in der heu­ti­gen Form nicht mehr gibt.

Wie geht es weiter?
Die inter­es­san­tes­te Fra­ge ist sicher­lich die­se: Wenn man mich abwählt, wer kommt danach? Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger sol­len an einer evtl. Wahl teil­neh­men „für“ oder „gegen“ mich. Soll­te sich ent­ge­gen aller tat­säch­li­chen Zei­chen eine Mehr­heit gegen mich am Wahl­tag fin­den, steht immer noch in den Ster­nen, wer sich anschlie­ßend zur Wahl stel­len wird. Für den Bür­ger­meis­ter­stuhl, wel­cher zugleich ein „hei­ßer Stuhl“ ist! Wer hat auf die­se Art des Mit­ein­an­ders Lust und kann so arbei­ten? Wür­de es mit einer Neu­be­set­zung einfacher?
Wer wählt denn einen flei­ßi­gen arbei­ten­den Bür­ger­meis­ter ab und weiß nicht, wen er dann bekommt? Ich bin ein Selbst­den­ker und krea­ti­ver Geist und der blei­be ich auch! Eine Mario­net­te war ich noch nie. Selbst­ver­ständ­lich habe ich gro­ßen Respekt vor Wah­len, demo­kra­ti­schen Pro­zes­sen und respek­tie­re Mei­nun­gen und Ergebnisse.

Fazit
2018 soll­te der neue Bür­ger­meis­ter par­tei­los und unab­hän­gig sein. Er ist es geblie­ben und nun schau­en wir mal, wie lan­ge er noch in sei­nem Amt bleibt. Ist Tim­men­dor­fer Strand wirk­lich ent­wick­lungs- und ver­än­de­rungs­freu­dig und bereit für eine moder­ne Verwaltung?
Der­zeit bin ich in Trau­er um den schmerz­li­chen Ver­lust mei­nes Vaters und auch den Tod mei­ner Mut­ter habe ich noch nicht ver­wun­den. Hin­zu kom­men der­zeit noch eige­ne gesund­heit­li­che Pro­ble­me, die jedoch zeit­nah in den Griff zu bekom­men sind. Sobald ich wie­der gene­sen bin, wer­de ich die Amts­ge­schäf­te wie­der aufnehmen.

Ich freue mich darauf!

Robert Wag­ner im Juli 2020